Der Atem – ein Schlüssel zu mehr Gleichgewicht

Der Atem verbindet Geist und Körper: Er zeigt Belastung an und bringt durch bewusste Steuerung beides wieder ins Gleichgewicht.

Alle Lebewesen, die dauerhaft auf den Sauerstoff der Luft angewiesen sind, müssen atmen. Atmen bedeutet einen wiederkehrenden Rhythmus der Aufnahme von Sauerstoff und der Abgabe von Kohlendioxid (siehe Bohr-Effekt). Dieser grundlegende Rhythmus wirkt permanent und seit jeher auf Körperfunktionen, Denken und Gefühle – und kann bewusst zur Regulation genutzt werden. Der Atem ist dabei zugleich Antenne für Belastung und Werkzeug für Ausgleich: Er reagiert früh auf innere und äussere Störungen und kann eingesetzt werden, um Körper und Geist wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Weil er damit unbewusste und bewusste Steuerung verbindet, ist der Atem einer der wirksamsten Hebel für Selbstregulation.

Bohr-Effekt

Rote Blutkörperchen transportieren Sauerstoff, aber sie geben ihn nur dann zuverlässig an das Gewebe ab, wenn genügend CO₂ vorhanden ist. Fehlt CO₂, bleibt der Sauerstoff fest an das Hämoglobin gebunden – selbst wenn das Blut reichlich damit beladen ist.

Biologie, nicht Ideologie

Der Atem als Steuerorgan ist keine esoterische Ideologie, sondern reine Biologie. Unser Körper regelt die überlebenswichtigen Funktionen autonom (autonomes Nervensystem) unterscheidet zwischen zwei grundsätzlichen Funktionsweisen: Anspannung (Sympathikus) und Entspannung (Parasympathikus).

Wirksamer Atem

Der Atem und das autonome Nervensystem (ANS) sind eng miteinander verbunden. Langsame, tiefe Atmung aktiviert den Parasympathikus, schnelle, flache Atmung den Sympathikus. Die Atmung hat den unmittelbarsten Einfluss (neben Temperatur, Bewegung, Ernährung, Schlaf, usw.) auf das ANS.

Reflexionsfrage: Was geschieht in unserem Nervensystem, wenn wir in einem Meeting bei einer unerwünschten Aussage reflexartig schnell einatmen?

Die bewusste, trainierte Steuerung der Atmung führt daher direkt zu positiven Veränderungen in unserem Körper:

  • Herz-Kreislauf: bessere Durchblutung & stärkeres Herz-Kreislauf-System
  • Sport: höhere Ausdauer, weniger schnelle Ermüdung, bessere Erholung
  • Nervensystem: weniger Stress, bessere Entspannung, stabilere Stimmung
  • Schlaf: tieferer Schlaf, weniger Aufwachen, erholsamere Nächte
  • Alltag: mehr Energie, weniger Müdigkeit, bessere Konzentration, höhere Belastbarkeit

Stressregulation durch CO₂-Toleranz

Der Atemreflex wird in der Regel nicht durch den Sauerstoffgehalt, sondern durch den Anstieg des CO₂ gesteuert (CO₂-Partialdruck verändert den pH-Wert im Blut).

Nervosität, Schwierigkeiten, zur Ruhe zu kommen, und emotionale Schwankungen können massgeblich mit diesem Effekt zusammenhängen, weil das ANS dadurch länger im «Stressmodus» bleibt. Zusätzlich wird der Sympathikus heute durch Reizüberflutung, Leistungsdruck, Konflikte und Ängste stimuliert.

Das bewusste Training der CO₂-Toleranz kann zur schnellen Rückkehr von Stress in die Entspannung beitragen und hat damit einen wichtigen Anteil an einer hohen Lebensqualität.

Trainingsmöglichkeiten der CO₂-Toleranz

Hauptindikator für CO₂-Toleranz ist der BOLT-Test. Menschen können nach dem Ausatmen durchschnittlich um die 20 Sekunden ausgeatmet bleiben, bis der Atemreflex (Lufthunger) einsetzt. Bei hoher CO₂-Toleranz steigt dieser Wert auf über 40 Sekunden.

Das Training besteht faktisch aus der «Umkonditionierung» unseres Körpers, weg von der «falschen» Atmung hin zur «richtigen» Atmung.

Alltagsroutinen

  • Stetige Nasenatmung ist unser Game-Changer: Sie hält den Körper im Gleichgewicht, stärkt Parasympathikus und CO₂-Toleranz, schützt die Atemwege und verbessert Leistung & Erholung.
  • Bewusst «leise» und kontrolliert atmen: Einatmung durch die «Kuhle» oberhalb des Brustbeins nach hinten in die Nieren, Ausatmen durch den Hinterkopf, durch die «kleine Fontanelle».
  • Regelmässige Atem-Minipausen mit bewusster, tiefer Atmung.

Training im Rahmen der Morgen- oder Abendroutine (persönliche Auswahl)

  • Krokodil-Atmung im Bett nach Aufwachen und vor/zum Einschlafen: Bauchlage und bewusste Nierenatmung mit Ausatemhalt.
  • Atemgehen, also die Verbindung von Atem und Schritten (Einatmen, Ausatmen, Halten).
  • Intervall Training (HIIT) mit bewusstem Nasenatmen: Trainiert die schnelle Umschaltung von Stress und Erholung.

Dies ist eine kleine, persönliche Auswahl, die sich beliebig erweitern und variieren lässt, um leicht und spielerisch die eigene Lebensqualität positiv zu beeinflussen.

Der Atem ist nicht der alleinige Faktor für unsere psychische Gesundheit, doch er ist ein massgeblicher Einflussfaktor und eine stetige Erinnerung, uns für das gesunde Leben zu entscheiden.


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